Schlagwort-Archiv: Graphic Novel

Do read the trolls

In Kathrin Klingners Grahic Novel Über Spanien lacht die Sonne lesen und löschen Moderatorinnen und Moderatoren die schlimmsten Internetkommentare. Nach einer wahren Begebenheit, denn Klingner hat selbst als Kommentarmoderatorin gearbeitet.

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produziert für SR 2 KulturRadio

Ausschnitt aus ›Jein‹ von Büke Schwarz

Ganz klar jein

Seien wir ehrlich, wir Kulturjournalisten lieben Relevanz. Wir lieben es, wenn uns Kunst etwas über Gesellschaft, Politik und aktuelle Themen sagt. Wir lieben das so sehr, dass diese Art Kunst überproportional viel Aufmerksamkeit bekommt. Ist das in Ordnung? Jein.

Mir gefällt, wie Büke Schwarz dem Kulturleben den Spiegel vorhält. In ihrer Graphic Novel Jein erzählt sie von der bildenden Künstlerin Elâ Wolf. Neben Künstlerin und einigem anderen ist Elâ auch Halbtürkin. Und damit muss sie natürlich eine Meinung haben, zu Erdogan, zur türkischen Politik, zum Verfassungsreferendum. Sie muss einfach. Und diese Meinung hat sie dann bitte auch kundzutun: beim Kennenlern-Smalltalk, in Interviews, am besten auch in ihrer Kunst.

Mit gefällt, dass in der Erzählung nur die Farbgebung schwarz-weiß ist. Inhaltlich lese ich Schwarz nuanciert. Ich lese das Buch nicht als Manifest gegen Erdogan, nicht als Manifest gegen Erdogan-Kritiker, gegen Medien, höchstens als Manifest für die Kunstfreiheit. Ich lese es als Geschichte einer Künstlerin, die sich nicht reduzieren lassen möchte auf ihre Herkunft, auf ihre politischen Ansichten. Natürlich will sie das nicht. Aber einfach ist das anscheinend nicht.

Mir gefällt die Bildsprache. Mir gefällt, dass Schwarz ihrer Geschichte viel Raum lässt und nicht jedes einzelne Bild ein zwingender Schritt im Plot ist. Manche Seiten stehen für sich. Und so ist es egal, ob man Jein liest, um seine Relevanzgier zu befriedigen oder auf der Suche nach dem ästhetischen Glück einer gelungenen Graphic Novel. In beiden Fällen bekommt man beides, versprochen.

Büke Schwarz – Jein, Berlin 2020, 230 Seiten.

Schwere Leichtigkeit

Vor zwei Jahren, am 7. Januar 2015, saß ich in einem Pariser Kellerraum in einer Pressevorführung des Stephen Hawking-Biopics, als zwei Attentäter in den Redaktionräumen der Satirezeitung Charlie Hebdo elf Menschen töteten und weitere verletzten. Ich kann mich daran erinnern, wie mir als ich auftauchte auffiel, dass vor dem Radiosender Europe 1 ein beachtliches Polizeiaufgebot stand. »Der Präsident ist wahrscheinlich zu Gast«, spekulierte ich im Stillen.

Vor zwei Jahren, am 7. Januar 2015, verschlief die Charlie Hebdo-Zeichnerin Catherine Meurisse. Sie kam zu spät zur Redaktionssitzung. Sie war nicht im Haus, als ihre Freunde und Kollegen getötet und verletzt wurden. Aber verletzt wurden an diesem Tag nicht nur Menschen, die im Haus waren.

Das Buchcover von "Die Leichtigkeit" von Catherine MeurisseCatherine Meurisse beschreibt in ihrem grafischen Essay Die Leichtigkeit was der Anschlag auf Charlie Hebdo mit ihr gemacht hat. Sie erzählt, wie sie an Tag eins nach dem Anschlag dachte, sie würde nie wieder zeichnen. Sie erzählt, wie ihr der Personenschutz gehörig auf den Keks ging oder wie ihr die Therapie half.

In den Tagen nach der Attentat auf Charlie Hebdo standen nicht nur bei Europe 1 Polizisten mit automatischen Gewehren vor der Tür. Auch mein täglicher Weg ins Gebäude von Radio France Internationale führte mich stets an zwei Uniformierten vorbei. Ein besseres Gefühl hatte ich deshalb nicht. Auch nicht, als ich noch Monate später jeden Tag an einer Straßenkreuzung in Straßburg genauso martialisch bewaffnete Beamte passierte, die dort neben einer Synagoge stationiert waren. Es ist eine Floskel geworden aber Frankreich hat sich verändert durch den 7. Januar 2015.

Zumal die Charlie-Attacke nicht das letzte Ereignis war, das das Land schockiert hat. Auf einer Seite der Leichtigkeit steht Catherine Meurisse in der Nähe des Bataclan auf der Straße, auf der es von Blaulichtwägen wimmelt, und denkt: »Willkommen auf meinem Planeten.« Vielleicht ist es tatsächlich die Leichtigkeit, die in Frankreich durch die Terroranschläge verlorengegangen ist.

Doch was man verloren hat, muss man suchen. Das tut Meurisse. Sie lässt sich helfen und leiten von Freunden und von Proust, Stendhal und von der Anmut antiker Statuen. Sie ist auf der Suche nach der Schönheit und findet im Alltag und in der Kunst doch immer nur Metaphern des Massakers.

Ich habe meine Geschichte des 7. Januars 2015. Denn es gibt Ereignisse, bei denen wir uns erinnern wo wir waren, als sie passierten. Weil sie uns betroffen machen. Wie es den wirklich Betroffenen geht, wissen wir deshalb noch lange nicht. Im übrigen weiß ich das nach der Lektüre der Leichtigkeit immer noch nicht. Trotzdem ist dieses Buch ein beeindruckender Einblick in ein Seelenleben nach einem Seelenbeben. Ich finde, es sollte uns Demut lehren, wenn wir von unserer Betroffenheit sprechen. Das Motto Je suis Charlie ist ohne Frage ein Zeichen der Solidarität. Aber der Satz, den damals fast alle in den Mund genommen haben, ist beim Wort genommen auch eine Anmaßung.

Catherine Meurisse – Die Leichtigkeit, Hamburg 2017.

Zu laute Gedanken

The audio interview with Daniel Clowes  is in english. You can ignore the german text,  scroll down and hit play.

Die Story ist recht alltäglich: Marshall – nicht mehr ganz jung, noch nicht ganz alt – hat ein Date. Die Story Das Buchcover von "Mister Wonderful" von Daniel Clowesist alltäglich, aber die Erzählung ist mitreißend und ausgetüftelt bis in die Umschlaginnenseiten.

Mehrere Erzählebenen, die sich in verschiedenen Zeichenstilen spiegeln, verborgene Details an den Bildrändern und eine Komposition mancher Seiten, die den Erzählrhythmus so gründlich durchschüttelt, das mich die Comicbilder stärker in ihre Welt hineingesogen haben als so mancher Kinofilm  – Mister Wonderful von Daniel Clowes ist ein unscheinbar dünner grafischer Roman, der sich zwar schnell liest, der sich aber nicht einfach so mir nichts dir nichts wegliest.

Besonders bemerkenswert ist der grafische Einsatz der Schrift, nicht nur, aber besonders dann, wenn Marshalls innere Stimme so laut ist, dass sie die Dialoge in den Hintergrund drängt. Im übertragenen, wie im wörtlichen Sinne.

Mister Wonderful ist vor einigen Wochen auf Deutsch erschienen. Ich habe mit dem Autor Daniel Clowes telefoniert.

Daniel Clowes – Mister Wonderful, Berlin 2015.

Jana Kreisl im Park

Vielgeschichtig

Sie interessiert sich für die alltäglichen Außerordentlichkeiten. Für die Menschen, die ihr jeden Tag begegnen. Und für die Geschichten, die sie in sich tragen. Das Buchcover von Ton und ScherbenJana Kreisl findet Bilder, für diese Lebensgeschichten – zuletzt in ihrer grafischen Kurzgeschichte Ton und Scherben.

Ton und Scherben beginnt mit dem Verlieben einer jungen Frau in die Hände eines Kommilitonen und endet viel zu schnell. Ein dünner gehefteter Band, der eine Beziehung nacherzählt. Wer mehr über die Story wissen möchte, sollte das Buch lesen und keine Zusammenfassung.

Eine Geschichte, die Jana Kreisl nicht ganz zufällig gefunden hat. Sie war auf der Suche nach Geschichten, die es Wert sind, in Bild und Text erzählt zu werden. Dazu hat sie mit Seniorinnen Interviews geführt. Auch der Vorgängerband Erschreckende Normalität ist aus dieser Interviewreihe enstanden.

Ich habe mit Jana Kreisl einen Spaziergang im Park gemacht und dabei mit ihr über ihr Interesse an menschlichen Schicksalen gesprochen.

Jana Kreisl – Ton und Scherben, Berlin 2015.
Jana Kreisl – Erschreckende Normalität, Berlin 2015.