Vor zwei Jahren, am 7. Januar 2015, saß ich in einem Pariser Kellerraum in einer Pressevorführung des Stephen Hawking-Biopics, als zwei Attentäter in den Redaktionräumen der Satirezeitung Charlie Hebdo elf Menschen töteten und weitere verletzten. Ich kann mich daran erinnern, wie mir als ich auftauchte auffiel, dass vor dem Radiosender Europe 1 ein beachtliches Polizeiaufgebot stand. »Der Präsident ist wahrscheinlich zu Gast«, spekulierte ich im Stillen.
Vor zwei Jahren, am 7. Januar 2015, verschlief die Charlie Hebdo-Zeichnerin Catherine Meurisse. Sie kam zu spät zur Redaktionssitzung. Sie war nicht im Haus, als ihre Freunde und Kollegen getötet und verletzt wurden. Aber verletzt wurden an diesem Tag nicht nur Menschen, die im Haus waren.
Catherine Meurisse beschreibt in ihrem grafischen Essay Die Leichtigkeit was der Anschlag auf Charlie Hebdo mit ihr gemacht hat. Sie erzählt, wie sie an Tag eins nach dem Anschlag dachte, sie würde nie wieder zeichnen. Sie erzählt, wie ihr der Personenschutz gehörig auf den Keks ging oder wie ihr die Therapie half.
In den Tagen nach der Attentat auf Charlie Hebdo standen nicht nur bei Europe 1 Polizisten mit automatischen Gewehren vor der Tür. Auch mein täglicher Weg ins Gebäude von Radio France Internationale führte mich stets an zwei Uniformierten vorbei. Ein besseres Gefühl hatte ich deshalb nicht. Auch nicht, als ich noch Monate später jeden Tag an einer Straßenkreuzung in Straßburg genauso martialisch bewaffnete Beamte passierte, die dort neben einer Synagoge stationiert waren. Es ist eine Floskel geworden aber Frankreich hat sich verändert durch den 7. Januar 2015.
Zumal die Charlie-Attacke nicht das letzte Ereignis war, das das Land schockiert hat. Auf einer Seite der Leichtigkeit steht Catherine Meurisse in der Nähe des Bataclan auf der Straße, auf der es von Blaulichtwägen wimmelt, und denkt: »Willkommen auf meinem Planeten.« Vielleicht ist es tatsächlich die Leichtigkeit, die in Frankreich durch die Terroranschläge verlorengegangen ist.
Doch was man verloren hat, muss man suchen. Das tut Meurisse. Sie lässt sich helfen und leiten von Freunden und von Proust, Stendhal und von der Anmut antiker Statuen. Sie ist auf der Suche nach der Schönheit und findet im Alltag und in der Kunst doch immer nur Metaphern des Massakers.
Ich habe meine Geschichte des 7. Januars 2015. Denn es gibt Ereignisse, bei denen wir uns erinnern wo wir waren, als sie passierten. Weil sie uns betroffen machen. Wie es den wirklich Betroffenen geht, wissen wir deshalb noch lange nicht. Im übrigen weiß ich das nach der Lektüre der Leichtigkeit immer noch nicht. Trotzdem ist dieses Buch ein beeindruckender Einblick in ein Seelenleben nach einem Seelenbeben. Ich finde, es sollte uns Demut lehren, wenn wir von unserer Betroffenheit sprechen. Das Motto Je suis Charlie ist ohne Frage ein Zeichen der Solidarität. Aber der Satz, den damals fast alle in den Mund genommen haben, ist beim Wort genommen auch eine Anmaßung.